Blogumne – 00007 circl3 j3rk5 min read

Blogumne: circl3 j3rk

vor zwei wochen habe ich eine “fulminante” kritik über das tweakfest in zürich geschrieben. “fulminant” ist übrigens nicht mein wort, kam als feedback von jemandem. gutes wort. jemand anderes hat mich darauf hingewiesen, dass meine kritik nicht gerade konstruktiv ausgefallen sei. stimmt.

solche bemerkungen nehme ich mir gewöhnlich sehr zu herzen, denn ich will keinesfalls nur destruktiv sein. oder wenigstens nur selten. doch nach einiger reflektion muss ich einsehen, dass es in diesem fall nicht möglich war konstruktiver zu sein. und zwar weil meine vorbehalte gegenüber einem festival wie tweakfest von solch fundamentaler art sind. für mich ist das format das problem. die anordnung. das setting. der rahmen. ein teil meiner kritik war also nicht direkt an das tweakfest gerichtet, sondern an diese art festival.

seit einiger zeit überlege ich an einer anderen form für ein medienkunst festival/konferenz rum. die ganzen festivals, die ich bisher besucht habe, sind sehr klassisch angelegt. nach dem universitären modell. vorlesungshaft. wie beim frontalunterrricht steht einer vorne und doziert und das publikum sitzt hinten und nimmt auf. meistens wird mit beleuchtung das gefälle noch zusätzlich betont, der sprecher sitzt im licht, die zuschauer im dunkeln. (besonders absurd war dieses setting übrigens vor ein paar jahren am offf festival in valencia, wo die meisten graphiker, die dann so vorne sassen, kaum etwas schlaues zu sagen hatten. nur. noch. peinlich.)

im zeitalter des internet, mit seinem immensen partizipatorischen potential, und der digitalisierung, die es immer mehr menschen ermöglicht sich kreativ zu betätigen, wirken solche modelle immer unangebrachter. die hirearchien haben sich verflacht. wir wollen uns nicht weiterhin berieseln lassen, wir wollen uns beteiligen, mitreden, -denken, -gestalten. und wir können dies auch. dazu braucht es eine neue form von festival/konferenz/workshop, durch die dieses klassische setting durchbrochen wird. gerade im bereich der medienkunst sollte so etwas leicht möglich sein.

ich erinnere mich vage an ein experiment von SODA, dem ehemaligen schweizerischen graphikmagazin (SODA gibt es zwar heute noch, aber keine ahnung was es jetzt sein will). vor jahren hatten sich graphiker und autoren an einem wochenende in einem raum getroffen – infrastruktur, compis und so, waren vorhanden – und so sollte eine SODA entstehen. ist sie auch. und das auf diese weise vor jahren entstandene heft bleibt eine der besten ausgaben.

eignet sich dieses modell nicht auch für ein festival? man trifft sich um sich auszutauschen UND um daraus im vorgegebenen zeitrahmen “etwas” entstehen zu lassen. “etwas” kann dabei immer wieder neu definiert werden: mal ist es eine website, mal eine cd-rom, eine dvd, ein manifesto, pamphlet, heft, buch, ein code, wiki, blog, eine plattform. von seiten der machbarkeit und der benötigten infrastruktur her sind im digitalen zeitalter kaum mehr stolpersteine vorhanden.

der spannenste teil jedes festivals war immer schon der informelle austausch unter den besuchern; die gespräche und begegnungen während den pausen und ausserhalb des programmes. das sogenannte networking. das modell, an dem ich hier rumstudiere, wäre demnach auch ein versuch diesen spannenden informellen teil ins zentrum des festivals zu rücken. inputs und diskussionen sind weiterhin ein wichtiger bestandteil, aber der fokus wird an dieser art festival darauf verlagert, was daraus unter den besuchern entsteht.

für eine erfolgreiche umsetzung muss ein ganzer katalog von faktoren erfüllt sein: kluge strukturen und gut durchdachte abläufe, eine perfekte infrastruktur, sensationelle moderatoren/mediatoren, ein paar stars als zückerchen für die keynotes und so, und am wichtigsten: ein interessiertes publikum sowie ein griffiges, aktuelles thema (zum beispiel “shifts in ethics in the digital age”). entsprechend dem thema würde jeweils eingeladen, mal mehr gestalter, künstler, graphiker, mal mehr coder, mal mehr autoren, wissenschafter, philosophen, oder anwälte, medienschaffende.

natürlich bestehen gewisse gefahren. das erarbeitete produkt könnte banal ausfallen verglichen mit den diskussionen. auch besteht die gefahr, dass diese art festival zu selbsterfahrerisch wird, zu gspürig. und da bleiben wir doch lieber bei der guten alten gruppentherapie und den selbsterfahrungsgruppen.

doch unter dem strich (and feel free to call me a hippie) finde ich die idee geil. weg von der hirearchie des wissens, hin zum kollektiven think tank. weg vom sender/empfänger modell, hin zum groupmind. weg vom vorlesungshaften, hin zum kolloqium. weg vom frontalunterricht, hin zum workshop. weg vom vorlesungssaal, hin zum labor. weg vom elitären setting, hin zum kreis der beteiligten. weg von top down, hin zu bottom up. weg vom linearen, hin zum prozesshaften. und, falls ich hier masturbation als metapher gebrauchen darf, weg vom exhibitionistisch/voyeuristischen, hin zum circle jerk. [mir ist bewusst, dass der “circle jerk” meist negativ besetzt ist. ich hingegen finde die vorstellung von einem “circle jerk” sehr sexy, mann, und ich war noch nie an einem… mhhhh. aber ich schweife ab.]

ja. okay. klar. wäre. sollte. hätte. könnte. die idee ist mal ganz okay. aber hat sie überhaupt eine chance? würd ich gern herausfinden. wie setzt man sowas um? keine ahnung. ich werf also die idee mal in die runde [unter einer CreativeCommons lizenz versteht sich]. ich bin mir fast sicher, dass es ähnliche modelle bereits gibt, oder gegeben hat, und dass sie bereits kläglich gescheitert sind. aber vielleicht wäre inzwischen die zeit reif dazu? leider habe ich wie gesagt keine ahnung wie man so ein teil auf die beine stellt. da bin ich sehr limitiert. also. falls jemand mit übernatürlichem organisationstalent dies liest und mit mir so ein festival basteln möchte, i am ready… let’s circl3 j3rk!

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