Blogumne – 00018 der welt ein offenes buch sein7 min read

die zup[ping]ersche weltanschauung

4:08:23 PM leu: hab ich […] mal meine eigenbild meiner Einstellung zum Bloggen abgegeben
4:08:24 PM leu: und sie hat keines
4:08:33 PM leu: war ich noch erstaunt
4:08:52 PM pieceoplastic: ja gut da weiss man nicht ob das jetzt rethorik ist
4:08:52 PM leu: ich finde man muss doch seine position in dieser Welt irgendwie für sich ein wenig zusammenstellen
4:09:23 PM pieceoplastic: zusammenstellen, ja. aber heisst das für dich performen?
4:09:40 PM leu: nö, meine werte bez. bloggen
4:09:43 PM leu: meine position

an sich eine gute anregung, die er da macht, der leu. und eigentlich kann man seine aussage sogar noch ausweiten und sagen, man bloggt sie ja eh bereits, seine weltanschauung. sie schimmert bereits durch im blog, zeigt sich in der themenwahl und in der art der kommunikation. kurz gesagt, man bloggt sich eben selber, kein anspruch auf objektivität. warum also sollte man seine ansichten nicht mal klar und transparent kommunizieren? der leu hat bereits vorgelegt [huch, SVP?], ich ziehe hier mal nach.

grob gesagt prägen mich zwei lebensbereiche. es handelt sich dabei um überaus komplexe gebilde, aber der einfachheit halber, im sinne einer reduktion der komplexitität, nenne ich sie hier politik und spiritualität. sowohl politisches wie spirituelles denken prägen meine sicht der welt sehr stark. wegen der verschiedenheit ihres ansatzes schneiden sich die beiden sichtweisen oft und an gewissen punkten scheinen sie unvereinbar. wie und ob ich diese beiden welten zusammen bringen kann, beschäftigt mich immer wieder sehr. aber fangen wir mal beim einen an.

politik. begriffe wie links und rechts sind an sich absurd. ich sehe es da wie dürrenmatt, der glaubs gesagt hat, dass er weder links noch rechts stehe sondern quer. oder hat er schräg gesagt? naja, mich soll man bekanntlich nie zitieren. da es diese begriffe nun mal gibt und sie einen immerhin grob einordnen, werde ich mich als politisch radikal links bezeichnen. ja, ich weiss, immer noch. früher habe ich mich noch deutlich radikaler im umfeld der anarchopunks, der spassguerilla, der autonomen und der spontis angesiedelt. heute ist dies etwas weniger ausgeprägt, aber ich bin immer noch ein sympathisant revolutionärer politik. es ist dann immer eine frage der mittel. inzwischen bin ich eindeutig gewaltfrei eingestellt, das war aber nicht immer so. auch heute noch verstehe ich die wut der jungen aktivisten, wenn sie kämpfen und zerstören wollen. “mach kaputt was dich kaputt macht” haben wir damals mit ton, steine, scherben gesungen. heute finde ich dies zwar kurzsichtig, aber wie gesagt verständlich.

ich kenne diese fatale mischung aus pessimius und idealimus. wenn ich mir die welt so anschaue, dann sehe ich ziemlich schwarz. irgendwo habe ich kürzlich den satz gelesen, ein pessimist ist ein optimist mit allen fakten. aber vielleicht erfinde ich den auch gerade. jedenfalls versuche ich der welt mit direktem und geradem blick zu begegnen und den fakten niemals auszuweichen. die ökologische krise auf die wir zusteuern, die probleme mit migration und fremdenhass, die sich ankündigen, sowie die soziale ungerechtigkeit, die sich zunehmend verschärft und die schere zwischen arm und reich grösser statt kleiner werden lässt, all diese themen, et j’en passe, bringen mich fast zur verzweiflung.

gleichzeitig glaube ich an das menschliche potential und unterhalte dabei idealistische fantasien, von selbstverantwortlichen, ehrlichen, gut kommuniziernden gemeinschaften, die endlich den nächsten schritt in der menschlichen evolution vollbringen und ein leben ohne krieg, hass und im einklang mit der natur erlernen können. und bevor jetzt alle “hippie” schreien, relativiere ich das ganze, und schränke es auf kleine zellen ein. mein ziel ist es im kleinen diese ideale bereits jetzt, hier und heute zu leben; in meinem direkten umfeld möchte ich sie umsetzen und möglichst alle so behandeln als ob. im internet sind ich für mich ansatzweise teile dieses ideales verwirklicht worden; eine offene, kommunikative welt in der sich grenzen auflösen und fast alles koexistieren darf. wobei ich da keine allzu naiven hoffnungen reinstecke. denn viel wichtiger ist mir, dass die revolution bei mir selber beginnen muss. nur an mir selber kann ich wirklich arbeiten, nur mich selber kann ich tatsächlich verändern. alles andere liegt eigentlich nicht in meiner macht. für mich entspricht dies dem grundgedanken des anarchismus, dem ich mich, in diesem sinne, weiterhin verpflichtet fühle.

womit ich bei der spiritualiät, so wie ich sie definiere, angelangt wäre. vor jahren war es, ich lebte damals in san francisco, da hat uns mein damaliger yoga lehrer gesagt, er sei immer noch ein revolutionär, bloss strebe er jetzt vorallem danach sich selber zu revolutionieren. ich bewegte mich damals im umfeld der anarchos und künstler und mich machte seine aussage stinkhässig – immer ein gutes zeichen. bald dämmerte mir das potential, welches in diesem satz steckt; eine revolution, die im kleinen beginnt, die bei mir selber anfängt. eigentlich ein sehr konkreter und schöner ansatz. schrittchenweise begab ich mich auf einen weg der radikalen selbstanalyse. ich besuchte meditationskurse und lehrer und starb tausend kleine tode. ich hatte das grosse glück momente der tiefen erkenntnis und öffnung erleben zu dürfen, die mir aufzeigten was möglich ist und mich erkennen liessen wonach ich immer gesucht hatte. ich begegnete verschiedenen erleuchteten [schwieriges wort] lehrern bei denen ich die radikalste aller veränderungen auf konsequente weise gelebt spüren konnte. aber zum anhänger bin ich nicht gemacht, darum verliess ich sie alle wieder und versuche seither meine erkenntnisse in meinen alltag zu integrieren. für kenner, ich fühle mich der indischen philosophie des advaita vedanta sehr nahe, der lehre der nicht-dualität. deren kernaussage: was man sucht ist man bereits. der glaube nicht frei zu sein und die daraus enstehende suche ist das problem. der mensch ist eigentlich bereits frei. er muss es bloss glauben, zulassen auch, und muss dazu all den müll und balast wegräumen, der ihn daran hindert dies zu tun.

tja, und so versuche ich also einen weg zu finden meine verschiedenen radikalen sichtweisen unter einen hut zu bringen. darum bezeichne ich mich manchmal als urban love warrior, einen begriff den mein freund jules beckmann geprägt hat, oder als peace & love agent. ich will die welt verändern, aber mit liebe und bei mir selbst beginnend. der weg soll dabei zum ziel werden. schritt für schritt.
selbstironie ist für mich programm, es gibt doch nichts langweiligeres als sich selber zu ernst nehmen; humor mein liebstes mittel. ausserdem bin ich anti-zynisch; mit zynikern kenne ich kein erbarmen, die sollen sich doch gleich die kugel geben anstatt zu versuchen uns alle mit reinzuziehen in ihre resignierte und feige haltung. denn mutig will ich sein. frech. spontan. frisch. ehrlich. direkt. verletzbar. und immer immer immer offen bleiben für neues. an meiner toleranz muss ich arbeiten, und an meiner wut. an meiner geduld auch. es gibt viel zu tun. das leben ist sauspannend.

vielleicht wird dem/r einen oder anderen jetzt klar, warum ich einerseits manchmal so naiv, fast blauäugig, wirke, und dann andererseits so kritisch und scharf. die naivität, die wähle ich bewusst, im zen nennen sie diese haltung beginner’s mind. ich versuche immer wieder mit einer mischung aus unvoreingenommenheit und betroffenheit an alles heranzugehen. ich will die dinge an mich heranlassen, mich nicht verschanzen hinter irgendwelchen haltungen und vorgefassten meinungen. der kritische teil erklärt sich mit der mir eigenen sehr selbstkritischen haltung. ich stelle hohe ansprüche an mich selbst, und darum auch an meine umwelt. das leben ist zu kurz um faul zu sein. aber das sind bloss oberflächliche erklärungen. eigentlich geht es mir darum, die dinge möglichst immer beim namen zu nennen, und da passt manchmal dies, manchmal das. ich gehe davon aus, dass es zu allem immer meinungen gibt, subjektive einschätzungen, aber dass auch etwas sache ist, und diese objektiver sachverhalt interessiert mich. den versuche ich zu finden.

zum schluss noch ein dürrenmatt zitat, ein echtes, welches ich auf der suche nach dem anderen, nicht-gefundenen, von wegen links, rechts, quer oder schräg, ergooglet habe: “der wissende weiss, dass er glauben muss”. auch noch so schlau, oder?

2 Replies to “Blogumne – 00018 der welt ein offenes buch sein7 min read

  1. sehr interessant geschrieben jan. Vielschichtig wie eine Zwiebel. Würde gerne mal mit dir über diese advaita vedanta unterhalten. Bin auch immer wieder überrascht, wenn ich auf mich selber stosse.

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