tom kummer: blow up – a very late review3 min read

ich möchte ein eisbär sein … und vom tom kummer interviewt werden

letzte woche habe ich blow up zu ende gelesen, das neue buch von tom kummer. als ich zuerst von seinem plan gehört hatte nun ein buch zum medienskandal um seine person zu veröffentlichen, überlegte ich mir, wie wohl einer wie tom kummer so ein buch schreibt. er hat es genau richtig getan, das buch ist eine süffige mischung aus rückblenden und aktualität, seine haltung wirkt klar, reflektiert und differenziert, er steht seiner vergangenheit nicht unkritisch gegenüber, und vorallem ist seine argumentation nicht (zu) defensiv ausgefallen, was in seiner situation die grosse falle gewesen wäre.

eine portion abrechnung gibt’s da schon zu lesen, aber eine leicht defensive haltung ist wohl echt unumgänglich, nachdem jemand auf solch radikale weise abgeschossen worden ist. tom hat dabei den richtigen grad erwischt, was man ihm echt hoch anrechnen muss. beim lesen wickelt einen der mythos tom kummer in seinen bann, wie eh und je. klar, der mann leidet an einer narzistischen störung – und bekanntlich braucht es einen der selber davon betroffen ist, um einen zu erkennen – aber tun wir dies nicht alle bis zu einem gewissen grad in der heutigen zeit, in einer zeit in der von den 7-jährigen bis zu den omis alle die selbstdarstellung zelebrieren? da war tom kummer doch bloss ein vorreiter.

tom kummer war das springer opfer (bauern opfer wäre hier zu schwach) in der quotenschlacht, die der journalismus geworden ist. ich bin mir sicher, tom wird in der journalistik bald die bedeutung erhalten, die er verdient. keiner hat auf schlauere weise den star kult hinterfragt indem er ihn glechzeitig überzeichnet. einige seiner fakten mögen nicht gestimmt haben, und doch war tom ehrlicher als vieles was sich journalismus schimpft. wer glaubt schon noch an einen “objektiven journalimus” ausser vielleicht einige skurille, halb senile journalistik professoren? die leser jedenfalls haben dies immer begriffen, die wussten, dass es sich bei seinen interviews um fiktion handelte.

die interviews, die ihm zum verhängnis werden sollten, mögen zwar nie in dieser form stattgefunden haben, doch eigentlich ist dies völlig egal. diese texte haben es wie nie zuvor geschafft, den stars eine menschlichkeit und zugänglichkeit zu vermitteln, die sich diese eigentlich nur erträumen können. heute chattet meine kollegin andrea auf myspace mit keanu reeves, bis es diesem zu bunt wird; bruce willis diskutiert als walter b. auf einem öffentlichen webforum mit seinen fans und kritikern über seinen neusten film; die stars, die wollen als menschen wie du und ich angesehen werden. eigentlich fehlte bei tom’s interviews also bloss der disclaimer: “vorsicht, diese interviews haben nie in dieser form stattgefunden”. und einen solchen disclaimer hinzuzufügen, dass wäre die aufgabe der jeweiligen redaktion gewesen.

aber tom’s abschuss bedeutet mehr. es geht auch um diy, learning by doing. hier kam ein unstudierter zum erfolg, einer der einfach so schreibt, und gut wie die sau schreibt. solche werden dann oft und gerne vom himmel geholt, sobald sich dazu die gelegenheit bietet. und seither wird fast alles wo tom kummer draufsteht zum skandal verdreht, wie zuletzt sein interview mit knut. aber echt jetzt, wie in aller welt könnte ein fiktives interview mit einem eisbären zu einem copyright streitfall werden?

beim lesen seines buches ist mir klar geworden, dass tom kummer unter anderem ein echter vorläufer, ein wegbereiter, der blogger szene ist. tom hat mit seinem journalistischen stil, mit der zelebrierten subjektivität und der offengelegten ich-perspektive, den finger auf den punkt gehalten, der immer mehr leute dazu bringt, sich lieber selber zu publizieren als dem ganzen medienapparat weiterhin passiv ausgesetzt zu bleiben.

ich dachte immer tom kummer braucht einen blog, also habe ich ihm einen eingerichtet. er benutzt ihn zwar nicht. nicht wirklich jedenfalls. schade eigentlich. aber tom hat verständlicherweise grösseres im sinn. würde ich auch, wenn ich so schreiben könnte wie er.

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