Odyssee Covidee12 min read

DISCLAIMER: In diesem Beitrag geht es nicht um mich!

Mein Kollege hat bereits neulich einen Beitrag hier geschrieben. Jetzt sind es zeimlich genau zehn Monate seit er krank geworden ist. Er hat mir erneut einen Text zugehalten, den ich gerne hier veröffentliche.

Bebilderung: mine or internet. Please share.


Bundesratfoto 2020 Nothing to see here

In diesen Tagen erfüllt sich mein Alptraum. Ungefähr vor zehn Monaten bin ich krank geworden, zuerst mit Schmerzen im Hals, geschwollenen Lymphknoten, Schluckweh, dann kam ein fiebriges Gefühl dazu (ich hatte dann tendenziell eine eher zu tiefe Temperatur), Geruchshalluzinationen, schliesslich ist die Krankheit in die Lunge gerutscht, mit einem trockenem Husten zuerst, gefolgt von Atemknappheit, einer asthmatischen Einschränkung, Lufthunger (air hunger). Mehrmals bin ich mitten in der Nacht aufgeschreckt mit der Erfahrung kaum Sauerstoff zu kriegen. Noch später kamen neurologische Probleme dazu, Hirnnebel (brain fog), Konzentrationsschwierigkeiten, Mühe mich an gewisse Worte zu erinnern, Einschränkung des Kurzzeitgedächtnisses.

Seither ist es nie wirklich besser geworden, zehn Monate lang. Ein ewiges auf und ab. Immer wenn ich das Gefühl habe ich hätte die Krankheit langsam im Griff, rächt sie sich mit einem neuen Schub. Hold my beer, I’m not done with you yet.

Und? Tönt das verdächtig? Könnte Covid sein, oder nicht?

Trotzdem hier zuerst mal in aller Deutlichkeit der folgende Disclaimer: Ich weiss nicht ob ich ich einen Langzeitverlauf von Covid-19 habe oder nicht. Denn leider fehlt der bestätigende Test. Es ist sogar so, dass ein PCR-Test negativ war (in der vierten Woche der Symptome Ende März zwar, in der false negativ Resultate sich häufen), ein Antikörpertest ebenfalls (doch auch die sind bekanntlich notorisch unzuverlässig). Mehr als ein Jahr dauert diese Pandemie bereits und es gibt immer noch keinen Test um die Krankheit abschliessend festzustellen?! Das ist schlecht.

Alles was ich habe sind dieses doch relativ typische Spektrum von Symptomen sowie einen Verlauf und Anfangspunkt, der darauf hindeuten, dass es sich zumindest um diese Krankheit handeln könnte. Auch selber hege ich immer wieder starke Zweifel daran, ob es sich um Covid-19 handle. Es ist zumindest denkbar und würde sogar zu mir passen, dass ich der eine Patient bin, der sich ausgerechnet anfangs März, und somit während einer globalen Pandemie mit anfangs enormer Dunkelziffer, eine diffuse Infektion einfängt, die bei ihm zu einer Lungenkomplikation mit einer ganzen Palette von begleitenden Symptomen führt, die sogar noch ähnlich verläuft wie Covid, es aber nicht ist. Möglich ist das schon. Aber.

Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass es sich bei mir um Covid-19 mit einem Langzeitverlauf handelt, dem sogenannten LongCovid. Dies wäre zumindest mal die beste These aus meiner Sicht und sollte es eigentlich auch für die Ärzteschaft sein. Aber Fehlanzeige diesbezüglich.

Ich habe an anderer Stelle bereits ausführlich über meine Symptome und den Verlauf meiner Krankheit geschrieben. Hier soll es nun um meine Erfahrungen mit der Ärzteschaft gehen, die sich lange Zeit nicht einmal auf diese offensichtliche These eingelassen, mich stattdessen belächelt, verhöhnt, vertröstet hat und mir das Gefühl gab, ich bilde mir alles bloss ein, einer Ärzteschaft, die mich psychosomatisert hat, falls das ein Verb ist. So viel vorweg, es war zum kotzen, nebst der bedrohlichen Krankheit auch noch mit der Arroganz und der Verhöhnung einer gekränkten Ärzteschaft umgehen zu müssen.

So ging das.

Sodeli

Neulich zwar, da gab es bei meinem Hausarzt endlich einen Durchbruch. Ein weiteres Mal in den bald zehn Monaten dieser verdammten Erkrankung habe ich mit ihm telefoniert, und während er bisher immer abgewiegelt oder gar abgewunken hatte, konnte er während diesem Gespräch zum ersten Mal LongCovid zumindest als Möglichkeit in Betracht ziehen. Nachdem ich ihm meinen Verdacht erneut geschildert hatte, liess er die These zum ersten Mal einfach so stehen. Dann fragte er, aber selbst wenn es so wäre, was er denn machen könne? Spontan ist mir leider die offensichtliche Antwort nicht eingefallen. Ich lenkte ein, man könne tatsächlich bisher LongCovid nicht behandeln, es helfe nur abwarten und Tee trinken, vielleicht, denn wer weiss das schon. Ach hätte ich bloss daran gedacht, was ich ihm eigentlich hätte sagen müssen…

Doch dazu später.

Meine Interaktionen mit Ärzt:innen waren anfangs der Erkrankung alles andere als einfach. Im März stellte sich heraus, dass mein Hausarzt in der Ferien war, jup, ausgerechnet mitten in einer Pandemie war der in den Ferien. Ich meldete mich also im März bei anderen mir bekannten Ärzt:inn:en, dazu gleich mehr. Als mein Hausarzt dann im April endlich aus den Ferien zurück war hat er während unseren ersten Telefonaten vehement abgestritten, dass es sich bei mir um Covid handeln könne, denn ich hätte kein Fieber gehabt. Inzwischen ist klar, Fieber gehört keinesfalls zwingend zu einem Verlauf dazu, es gibt eigentlich keinen typischen solchen. Zuerst meinte mein Hausarzt lapidar es handle sich um Asthma.

Duh. Klar, hat er da einerseits recht, es handelt sich um eine Form von Asthma. Doch andrerseits ist Asthma hier wie so oft ein Symptom, und die eigentlich interessante Frage wäre, was die Ursache dafür ist. Wieso ist es bei mir ausgerechnet jetzt, während der Pandemie einer Lungenerkrankung, zu einer solch extremen Form von Asthma gekommen, in einem Ausmass so stark wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte? Diese Frage interessierte meinen Hausarzt aber nicht. Beim nächsten Gespräch meinte er dann es handle sich bei mir um Panikattacken. Auch hier, als Symptom ist das korrekt und sogar leicht erklärbar. Wer kann schon während einer Pandemie mehrmals mitten in der Nacht mit starker Atemknappheit aufwachen ohne Angst zu kriegen. Mein Hausarzt hat mir dann tatsächlich Temesta verschrieben, ein Benzodiazepin. Dem Beipackzettel musste ich dann entnehmen, dass Benzos im Fall von Lungenkrankheiten deutlich kontraindiziert seien, sogar lebensgefährlich.

Bundesratfoto 2020 The Hateful Eight

Vorher, während der Abwesenheit meines Hausarztes hatte ich mich telefonisch an eine verwandte Ärztin gewandt. Während der Aufzählung meiner Symptome unterbrach sie mich, um mir im höhenden Ton zu sagen, das sei ganz sicher kein Covid, da lege sie ihre Hand in’s Feuer, wieder wegen dem fehlenden Fieber. Sie bot sogar an zu mir zu kommen um mich zu untersuchen, so sicher sei sie, dass es kein Covid ist. Sie ist über 70 Jahre alt und somit Risikopatientin.

Über eine alte Schulkollegin wandte ich mich dann an einen anderen Arzt. Auch er lachte mich am Telefon aus, ich hätte ganz sicher kein Covid, ich bilde mir dies bloss ein. Er hatte mich nicht mal ausreden lassen bei der Aufzuahlung meiner Liste von Symptomen. Erst bei einem späteren zweiten Gespräch gestand er es wenigstens als Möglichkeit ein.

Die Pneumologin, bei der ich für mein Asthma in Behandlung war, liess die Frage der Ursache unbeantwortet, drängte mich stattdessen dazu unbedingt meinen Kortisonspray intensiv zu benutzen. Genau darum hatte ich mich an sie gewendet, in der Hoffnung mit ihr zu besprechen, ob dies denn momentan schlau sei.

Kurze Klammer auf, funny story this: Im November 2019 war ich bei selbiger Pneumologin zur Untersuchung meiner Lungenwerte gewesen, worauf sie mir eine Kortisonbehandlung verschrieben hatte. Etwa zur gleichen Zeit hatte ich mir bei einem anderen Arzt eine kleine Zyste innenseitig an der Lippe entfernen lassen. Die dadurch entstandene Wunde heilte dann auffällig schlecht, bis heute nicht, übrigens. Darauf angesprochen meinte die Pneumologin, dies sei ganz klar wegen dem Kortison, denn das unterdrücke das Immunsystem. Als ich dann im März 2020 dachte ich hätte mich mit Covid angesteckt, war ich verunsichert, ob es nun sinnvoll sei ein Medikament einzunehmen, welches bekanntermassen das Immunsystem schwächen kann. Das war wie gesagt ganz am Anfang der Pandemie und mir war damals noch nicht bekannt, dass ein Grossteil des Schadens bei Covid gerade durch ein überaktives Immunsystem entstehen kann. Der Pneumologin allerdings auch nicht, denn diese Erkenntnisse sollten sich erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigen. Als ich sie fragte, ob es nicht gefährlich sei jetzt Kortison einzunehmen, antwortete sie mir, es stimme gar nicht, dass diese Substanz das Immunsystem einschränke. Jetzt war ich aber verwirrt, hatte sie mir doch erst wenige Monate vorher gesagt, dass dies sehr wohl der Fall sei. Jedenfalls, long story short, kam dann mehrere Monate später eine Studie raus, die ironischerweise dem Kortison genau wegen seiner immunschwächenden Wirkung einen positiven Einfluss für den Krankheitsverlauf zuschrieb. Die Pneumologin hatte mir also aus den falschen Gründen mit absurden Argumenten das richtige empfohlen. Das war aber wie blind auf einen Misthaufen einstechen und mich dazu noch anlügen. Klammer zu.

Bundesratfoto 2020 Genf steht Schlange

Mein Hausarzt hat sich in dieser ganzen Zeit kein einziges Mal bei mir gemeldet, um sich zu erkundigen wie es mir geht. Ich musste immer wieder bei ihm anklopfen. Wie gesagt fing mein Hausarzt erst im Herbst an mich minimal ernst zu nehmen. Er willigte nun endlich ein mich wenigstens von anderen Spezialisten untersuchen zu lassen, um andere Erkrankungsmöglichkeiten auszuschliessen. Es folgte der Anfang eines Marathonlaufes von Spezialist zu Spezialist, wobei ich natürlich ein sehr ungutes Gefühl hatte. Kliniken und Praxen sind Orte der potentiellen Ansteckung, dort gehen Kranke ein und aus, diese Orte möchte man mit einer unerkannten Krankheit tunlichst meiden, falls es irgendwie geht. Nach dem Besuch bei einem Immunologen sowie einer Darmspiegelung, beide mit negativem Ergebnis, brach ich deshalb diesen Marathon vorzeitig ab. Es war mir in dieser Form zu gefährlich. Aber es hätte durchaus noch untersucht werden müssen, ob es sich um Leber- oder Nierenkrebs, oder um ein Problem mit der Schilddrüse handeln könnte, alles zum Glück relativ weit hergeholte Thesen. Die beste These bleibt Covid. Punkt.

Superspreader by fr3nzin3

Während dieser ganzen Zeit habe ich selber intensive Recherche betrieben, Studien sowie Tweets und Threads von Epiemieologen und Virologen gelesen, mir Podcasts angehört (okay, hauptsächlich den mit Drosten halt), den Austausch mit anderen Betroffenen gesucht und gepflegt. In unseren Telefonaten war ich dann meist besser informiert als mein Hausarzt, und zwar zu so banalen Fragen wie der abnehmenden Zuverlässigkeit von PCR-Tests nach der ersten Woche oder der fragwürdigen Zuverlässigkeit von Antikörpertesten. Seine Ausrede darauf war dann jeweils, er sei ja schliesslich kein Experte. Echt jetzt?! Während einer gloablen Pandemie?! Dann lies dich halt ein, du Lappen. You have one job.

Yup. Mein Respekt für meinen Hausarzt ist inzwischen vollkommen weg. Sobald diese Pandemie vorbei ist suche ich mir einen neuen, aber während einer Pandemie ist halt auch das schwierig, also bin ich vorläufig noch auf diesen zwischenmenschlich limitierten Tollpatsch angewiesen.

Medizinisches Wissen schüchtert mich glücklicherweise nicht allzu sehr ein, da ich zur Medizin eine familienbedingte Affinität habe. Auch war mir bereits von meiner Hepatitis C her bekannt, was der Austausch unter Betroffenen sowie Laienforschung alles bewerkstelligen kann. Dies führte dann oft zu einer Kontraposition zu der Ärzteschaft, die einem ihre experimentellen Behandlungen mit sehr niedriger Erfolgschance aufschwätzen wollten.

So müsste dies aber nicht laufen. Denn bei HIV/AIDS, und dies ist gut dokumentiert, konnte mit der Zeit eine sehr konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Patient:innen und der Ärzteschaft entstehen, die sich auf Augenhöhe austauschen und gemeinsam nach Behandlungen suchen konnten. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Es wäre also grundsätzlich möglich, bedingt aber viel Lobbyarbeit.

Bundesratfoto 2020 Learn To Swim

Nun, was soll das Ganze? Warum schreibe ich dies hier? Dies mag alles relativ anekdotisch klingen, doch während es theoretisch möglich ist, dass ich ein Einzelfall bin und einfach unglaubliches Pech hatte mit meinen Ärzt:innen, vermute ich doch eher es ging nicht wenigen Betroffenen sehr ähnlich wie mir. Gerade in der bequemen Schweiz, in der nicht sein kann was nicht sein darf, in der die Politik und die Krankenkassen sich bereits absichern, damit sie ja nicht die Kosten übernehmen müssen, gerade hier wird diese Erkrankung bewusst in eine Ecke gedrängt. Die paar Betroffenen mit denen ich mich austauschen konnte, haben mir von ähnlichen Erfahrungen berichtet. Viele Patient:innen mit LongCovid wurden in die psychosomatische Ecke gestellt von einer gekränkten weil überforderten Medizin und von einer kostensparenden Politik.

Es ist noch unklar wie oft Langzeitverläufe bei Covid auftreten können, die Schätzungen klaffen weit auseinander, ebenfalls bleibt unklar, was die Ursache für einen solchen Verlauf sein könnte (beste These: Histamin-Intoleranz, aber das wäre ein anderer Artikel), und doch ist inzwischen unbestritten, dass LongCovid existiert. In einigen Ländern wie England, Deutschland und Frankreich wurden bereits Spezialkliniken aufgebaut die sich auf die Behandlung von Langzeitverläufen spezialisiert haben. In der Schweiz herrscht bisher opportunistisches Desinteresse, weil, jesses nein, nicht auszudenken was so was auch wieder für Kosten verursachen würde, die Güterabwägungen der Uelis dieses Landes müssten ja über den Haufen geworfen werden.

Aber die Güterabwägung

Es muss endlich etwas geschehen in der Schweiz in Bezug auf . Die Forderungen sind klar: Es braucht ein Ambulatorium für LongCovid Patient:innen, eine Anlaufstelle, wo die ersten ausschliessenden Untersuchungen gebündelt an einem Ort durchgeführt werden können. Es braucht eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen den Betroffenen einerseits und einem interdisziplinären Team von Immunolog:, Infektiolog: und Lungenspezialist:innen sowie Physiotherapeut:, Sozialarbeiter: und Psycholog:innen andererseits. Und es braucht Forschung zu den Ursachen dieses sehr spezifischen Krankheitsverlaufes sowie zu allfälligen Behandlungsmöglichkeiten.

Klar, eine neue Krankheit wie Covid-19 repräsentiert eine Herausforderung für alle, für die Betroffenen genau so wie für die Ärzteschaft. Was aber nur schwer verständlich ist, ist die Kränkung mit der die Ärzteschaft zu reagieren scheint, wenn sie eine Erkrankung nicht versteht oder aber sie nicht zu behandeln weiss. Das Phänomen ist auch von anderen Krankheiten her bekannt. Die Medizin ist ein viel zu aktionistisch aufgestelltes Feld. Wenn sie nichts “machen” können, dann verzweifeln sie, unsere bedauernswerten Mediziner:innen. Wenn sie nichts machen können, dann bleibt ihnen nur ihr beruflicher Habitus, und sie flüchten in ihre Arroganz. Die Halbgötter in weiss wissen plötzlich genau so wenig wie oder sogar noch weniger als irgend so ein daher gelaufener, gut informierter Laie (dank dem Internet übrigens, denn dort steht wirklich nicht nur Müll, alle Studien sind online zu finden) und das versetzt sie in eine passiv-aggressiv gekränkte Rage.

Spontan kam ich nicht darauf, aber die Antwort an meinen Hausarzt auf seine Frage, ja was er denn machen könne, wäre natürlich gewesen, zuhören, ganz banal und schlicht und einfach: zuhören. Und dann noch mal zuhören. Empathie zeigen, mich mit meiner Erkrankung ernst nehmen, nicht in den berufstypischen Aktionismus verfallen, und mit mir gemeinsam versuchen nach einer Lösung suchen.

So simpel wäre es gewesen. Und ich hätte mich wenigstens nicht so verdammt alleine gelassen gefühlt.

Odyssee Covidee

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